Wednesday, January 24, 2007

Ehrfurcht

Heute war die Zeit reif für THE FOUNTAIN.



Ich setzte mich also in den Zug gen reinhessische Bauerngroßstadt und vermeintliche Intelligenz und sichere Verwaltungs- Zentrum meiner christlich institutionellen Welt:
Mainz.

Mit dabei war eine blonde Relativistin. Keine ausgesprochene Filmliebhaberin. Aber jemand, der schon studienbedingt sich auf das ausgesprochen und wissenschaftlich definierte Fremde einlassen kann. Vorraussetzungen also, die für einen Film von Darren Aronofsky nötig sind. Ich bin auch niemand, der jeden in einen Film zerrt nur um seinen Geschmack zu verbreiten. Ich lasse in fremden Wohnungen selbstgebrannte Musik CDs liegen, setze meinen Bruder unter psychischen "du must dein filmisches Repertoire erweitern"-Druck oder erzähle ständig von Six Feet Under.
Dennoch würde ich mich nie der Tortur eines neben mir sitzenden falschen Menschen im falschen Film unterziehen.

Mit uns im Kino waren ungefähr sieben andere Menschen. Hauptsächlich mutmaßliche Filmstudenten, solche die es gerne wären und Berlinale-Taschen-Träger.
Zudem zwei Filmstudenten von der Sorte, die es raushängen lassen.
Wenn vor mir zwei Menschen sitzen, die sich über das unterhalten, was mich auch tagtäglich beschäftigt, über das ich aber mit niemandem reden kann, erweckt das in mir ein Gefühl tiefer Abneigung. Auch ich will im Kino einmal neben Menschen sitzen mit denen ich mich über Thomas Newman unterhalten kann ohne einen fünfminütigen Erklärungsmonolog halten zu müssen oder alle 10 Sekunden die "langweile ich dich damit?" Frage zu stellen.
Sich über Thomas Newman zu unterhalten ist schön und gut. Es ist etwas Anderes sein reichliches Filmwissen ständig als unmittelbares klugscheißerisch arrogantes Bewertungsmittel einzusetzen.

Meine ersten Eindrücke sind, dies, nicht mehr.





Grundsätzlich sehe ich den Film in diesem Moment als wunderbare Geschichte über den Menschen und dessen Sterblichkeit.
Es gibt Momente im Film, die man am liebsten für alle Zeit in sein eigenes photographisches Gedächtnis speichern würde. Momente voller tiefer Wahrheit und Schönheit.
Es gibt ebenso Momente, in denen etwas fahle Dialogzeilen vom Filmgeschehen wegführen. Oder dieser kleine Abschnitt am Ende des ersten Drittels des Films, an dem meine Konzentration nachlies. Aber diese Momente gehen unter in der Pracht und Originalität der Bilder und Bedeutungen.
Alle Mittel, die Aronofsky und seine Mitstreiter einsetzen tragen zur Bedeutung des Films bei. Da ist diese herllich Kamera-Überkopfeinstellung, die den Ritt des Conquestadoren zum Großinquisitor sowie Tommys Fahrt ins Forschungslabor parallel setzt. Sehr oft kann man einfach in der Tiefe der Bilder baden.

Wiederholungen einzelner Szenen sind ein häufig eingesetztes Mittel in THE FOUNTAIN. Zuletzt überkreuzen sich die drei Erzählstränge in erwartungsgemäß kurzer Frequenz und überraschender Ergiebigkeit, Dichte und profundem Sinn. Letzterer enthält soviel Überschuss, dass ein zweites Mal Anschauen irgendwie zur Erfahrung dieses Films dazugehören wird.

Der Film und seine Konzeption der drei Erzählstränge fordern durchaus ein aktives Mitdenken des Zuschauers ein. Sonst geht man inmitten der Sinnflut schnell verloren. Wie man allerdings zu dem, in der Spiegel Kurzkritik geäußertem Urteil, der verwirrende Plot und Lärm des Films würden den Zuschauer schnell nach einer Aspirin fragen lassen, kommen kann, kann ich auch heute nicht verstehen.

Clint Mansells Musik ist Eins mit den Bildern. Hoffnung und Verzweiflung finden in seinem simplen aber unter die Haut gehendem Hauptthema einen wichtigen Platz.
Hugh Jackmans Performance ist einfach überzeugend.
Sein Charakter ist der Schwellenpunkt des Films. Sein Leugnen unser Verdrängen, sein Schmerz sind unsere Katharsis.

Eins sollte hier mal gesagt werden: THE FOUNTAIN ist nicht ausschließlich für Menschen mit Hochbegabung konzepiert, so wie es von einigen frustrierten Kritikern dargestellt wurde. Der Plot legt eigentlich ziemlich klar das Thema des Todes und dessen Gegners Tommy dar. Tommy, der den Tod für eine Krankheit hält und ihn bekämpfen will.
Dieser Film handelt primär von der Reise des Menschen zum Begreifen seiner eigenen Sterblichkeit. Und von Izzy, die stirbt und in alten Mythologien die lebendige Wahrheit des Todes erkennt und nicht wie viele andere "zappelnd" sondern in einem Gefühl des "aufgefangen seins" stirbt.
Tommys Reise führt zu seinem eigenen Ende und trägt zuweilen tragische Züge. Er ist verbort in die Vorstellung den Tod verhindern zu können bis es zu seiner eigenen Erlösung und Einsicht kommt.

Wie auch bei CHILDREN OF MEN, der sicherlich, trotz aller Düsternis, rein von der Form her, einfacher zugänglich ist, finde ich mich in THE FOUNTAIN religiös wieder. Der Film handelt von Vorstellungen des Todes als Schöpfung, als Beginn ewigen Lebens, als ...."Weg zur Erfurcht".

In etlichen Kritiken habe ich die abschätzigen Urteile, die vor allem auf die Lotusposition von Jackman in der Blase abzielen gelesen. Aber was ist falsch oder oberflächlich oder lächerlich an dieser Pose?
Sie existiert als religiöses Symbol neben anderen religiösen Symbolen im Film. Christliche, die ich erkannt habe, mythologische Symbolismen. Die Menschen, die in ihren halbherzigen unüberlegten Kritiken diese Entscheidung des Films kritisieren, sehen, so meine Vermutung, diese Position als lächerlich an, weil sie Ihre tiefe Bedeutung und Wahrheit verdrängen. Für sie ist es vielleicht nicht mehr als ein Wellness-Trend?
Für mich ist es, auch so wie es im Film vorkommt, ein Versuch der Verbindung mit dem Göttlichen. Oft wird in der Meditation das Eins werden mit dem Kosmos angestrebt, die innere Leere, die totale Indifferenz, das Nichts verlangen, der vollkommene Frieden, die Akzeptanz des Göttlichen. Diese Position ist eine Verkörperlichung dieser inneren Haltung. Ich kenne franziskanische Patres, die Ihren Spiritualität auf diese Weise ausüben und erfahren. Was ich damit sagen will ist, dass diese Gebets- und Meditationshaltung nicht unbedingt an religiöse institutionelle oder sonstige Einschränkungen gebunden ist.
Meiner Meinung geht es bei der Abbildung der Hauptfigur in dieser Haltung nicht um eine spezielle esoterische oder religiöse Richtung. Es ist eine Abbildung des menschlichen Strebens nach der Erfahrung des Göttlichen. In welcher anderen Pose hätte man denn diesen geistigen Status sonst verdeutlichen können?





Ich muss jetzt ins Bett. Wie immer in Fällen dieses cinematischen Glücks hoffe ich allerdings, dass die Bilder von Darren Aronofsky irgendwie gleich zurückkommen.

Ich habe in letzter Zeit oft Angst vor dem Tod. Obwohl ich doch in einem Glauben groß geworden bin, der mit dieser Angst umzugehen lehrt und von Ihr wegführt. Ich glaube es ist das Nichts, was wir bzw. ich nicht akzeptieren können/kann.
Die totale Abwesenheit von allem. Ich bin kein Fan von Kritiken, die Filme auf Botschaften oder Wirkung reduzieren.
The Fountain schafft es eine klare metaphysische Botschaft zu kommunizieren. Diese Botschaft darf in Ihrer eigenen Logik die Frage nach dem Nichts nicht bejahen. Der Film spricht in Kategorien, die metaphysischer Art sind, er erzählt von dem Pfad zur Erfurcht, dem ewigen Leben, dem Glauben und irgendwie immer von etwas Göttlichem, Transzendentem.

Das ist beruhigend.




P.S.:

Kein Wunder, dass Fanboys um die dreißig einen Film gut finden, dessen Anfang in den gleichen Kullissen zu spielen scheint, in denen Harrison Ford Anfang der 80er Alfred Molina um seine Peitsche bat.

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