Saturday, May 19, 2007

Gestern*

Eigentlich müsste ich in genau diesem Moment ein Referat vorbereiten. Der zu referierende Text liegt vor mir. Genauer gesagt zwischen mir und dem Laptop auf dessen Tastatur ich gerade diese Wörter eingebe.
Inzwischen habe ich mir den neuesten und letzten Lost-Podcast angehört. Das pseudo- Schulpausen-Geplänkel von Lindelof und Cuse wirkt unter normalen Umständen eigentlich recht inspirierend.

Nach etwa fünf Minuten Pause für Referatsnotizen inspirierten sie mich allerdings eher zu der Annahme, dass der vor mir liegende Text voller selbstbezogener
"Was diese "berufliche Indienstnahme" privater Lebenszusammenhänge für die geschlechtsspezifische Gestaltung von "work and life arrangements" im Hinblick auf Lebensplanung und Lebenslauf der Kulturberufler bedeutet, bedarf näherer Untersuchung aus der Perspetive der Betroffenen"-Aussagen nicht die Priorität hat, wie etwa ein spontaner Vergleich der Webrepräsentation von USC - School of Cinema Arts und der HFF Potsdam. [ Fazit: Zwischen einem blau getöntem Foto des Straßenschilds der Marlene Dietrich Allee und dem überaus eleganten Schriftzug der kalifornischen Version liegen Welten, die man eigentlich in Ruhe lassen sollte. Aber warum? Warum sehen die Webseiten deutscher Filmakademien aus wie die Webrepräsentationen einer Fahnenfabrik und die amerikanischen wie die Internetseiten einer Filmschule?]

Aber zurück zu dem, was in diesem Augenblick sowieso in meinem Kopf bearbeitet werden sollte:
Wenn keine zwei Sätze eines Aufsatzes ohne das Auftauchen von Phrasen, wie
"geringe Verbreitung geschlechtsspezifisch strukturierter Arrangements von "Arbeit und Leben" und "Anhaltspunkte für ein degendering von Erwerbsarbeit", die traditionell "weiblichen" Semi-Professionen" auskommen wird Unmut doch wohl gerechtfertigt sein! Zumal die Veranstaltung, in der ich dieses Referat morgen -hoffentlich- halten werde ausschließlich aus Frauen besteht. Frauen, die Anfang zwanzig und einigermaßen intelligent sind, sich allerdings vor keinem Klischee scheuen, das sie viele Dienstag Abende lang vor Sex and the City einstudiert haben.

Heute ist der 22. Mai. Das heißt nicht nur, dass ich in einem Jahr die Früchte dieses Textes und einer anschließenden Studie zu Papier gebracht haben muss und dem Forschungsthema selbst, Prekarisierung, einen erheblichen Schritt näher gekommen bin. (Wenn der Inhalt dieses Papiers nicht so gut wird dürfte das Prekariat nicht mehr zu verfehlen sein.)

In ziemlich genau einem Jahr werde ich hoffentlich in einem großen dunklen Saal sitzen und gespannt aber mit einem unbeschreibbaren Lächeln auf den Lippen und der Außenhaut meiner Seele warten, dass der Projektor die große Leinwand und meine Augen mit einem kurzen Aufleuchten in den Himmel des Abenteuers befördern wird. Hoffentlich wird dies auf elegantere Weise geschehen als dieser Satz es tat.

Und so langsam wird es ernst an der Front des unauthorisierten Internetinformationsflusses.

Irgendwie schien es am Montag als würde jemand plötzlich beginnen über das Internet die neueste Version des Koepp-Drafts vorzulesen. Zumal die ersten Planungen für die Ende-Juni Festivitäten in New Haven anlässlich der bevorstehenden Verfolgungsjagd bereits einige Tage zuvor begonnen hatten.
Ich hoffe inständig, dass ich ausnahmsweise genügend Disziplin an den Tag legen werde um den Spoilernachrichten zu dem, was man hoffentlich bis Thanksgiving immernoch nur "Indiana Jones IV" nennen kann, zu widerstehen. Es wäre einfach zu blöd. Zu blöd ist diese ganze Spoilergeschichte eh schon.
Warum hat man Interesse daran, sich den Spaß der Überraschung zu nehmen? Warum liest man sich eine Woche vor dem Lost-Staffelfinale alle Wendungen und Überraschungen des Plots durch?

In dem Fall des "Belloque"-Leaks hat Devin Faraci freundlicherweise einige Plotdetails einstudiert haben.
nicht verraten. Ein seltenes aber gutes Beispiel für den Umgang mit Wissen, was für niemanden gut ist. In einem Jahr überrascht zu werden. Das wäre doch was.
Dennoch trügt der Schein diesen Film beinahe jungfräulich erleben zu können. Es ist eine Tatsache, dass ich seit etlichen Jahren auf die Entstehung dieses Films gewartet habe. All die Erwartungen dieser Zeit. Alle die Träume, in denen sich dieser Film schon breit gemacht hat. All die Relativierungen, die nötig sind. All das ist schweres Gepäck für einen idealerweise unbelasteten Kinobesuch.

Zum Glück gibt es auch andere bewegte Bilder auf die man sich freuen kann ohne gleich so viel Emotionen auf die hohe Kante zu setzen. Eine ganze Menge davon werden gerade in Cannes gezeigt (der neue Akin, der neue Coen, der neue Tarantino, der neue Schnabel -Kamera: Janusz Kaminski) und gerade heute wurde bekannt, dass der neue PTA auch nach Venedig kommen wird. Das ist alles schön und gut. Allerdings kommen durch die zyklische Wiederkehr der Festivals auch negative Erinnerungen auf: Journalisten, die in Berichten, auf die man sich gefreut hatte, über die vielen (schlechten) Filme jammern. Eigentlich ist so ein Festival ja sehr magisch und etwas besonderes. Andererseits ist es das schlimmste, anstrengenste Erlebnis auf Erden. Ach ja und dann war da noch diese THE FOUNTAIN Kritik im letzten Jahr aus Venedig. Ein Trauerspiel des Unverständnisses. Leider schien a) der Kritiker so eine Art Aushilfe zu sein und war b) dies die einzige Kritik, die jeweils in der FAZ für THE FOUNTAIN erscheinen sollte.**

Unter solchen Umständen kann man sich nur immer wieder über das Internet freuen.
Und über die Tatsache, dass es noch Menschen gibt die sichtbar gerne, mit unmittelbarer Euphorie über einen neuen Film schreiben können. Danke.




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*Vor sieben Tagen.

**Das Problem: Vor ungefähr einem Jahr verschwand Dietmar Dath. Wahrscheinlich ging er auf Lese- oder Promotionsreise mit seinem neuen geek-Buch. Apropos. Im April 2006 habe ich mir versehentlich eine SPEX-Ausgabe gekauft. Die darin enthaltenen Sätze waren schlimmer und unverständlicher als meine eigenen. Es war als ob jemand versuchen würde sein gesamtes Wissen in einen 200 Zeichen Artikel zu zwängen. Als ich dann erfuhr, dass Dath irgendwann einmal irgendetwas mit dieser Publikation zu tun hatte ging mir sofort ein Licht auf. Ich sah klar. Nun warte ich auf seine Rückkehr.
Als ich noch klein war fiel er mir bei meiner Feuilletonlektüre immer auf weil in seinen Artikeln unglaublich häufig der Name Steven Spielberg erwähnt wurde. Einfach so. Ohne besonderen Grund. Steven Spielberg. Das machte mich neugierig und ich sah in ihm einen Verbündeten und Feind zugleich. Ich war noch jung.